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Die wundersame Gemüsewandlung

Kochenvon Anna Neustein 30. März 2020

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Fermentieren

Wenn Salz und Mikroorganismen sich gegen die Luft verbünden, kommt Gutes heraus: Selbstfermentierte Gemüse sind lebendige Lebensmittel und eine starke Antwort auf Konzernübermacht und Allergienwahnsinn. Von Roten Rüben, Immunsystem und ewiger Knackigkeit.

Die Fermentation, die Vergärung unter Luftabschluss, ist derzeit eine der Küchenmethoden schlechthin. Auf urbanen Märkten stapeln sich fesche Gläser mit eingelegtem Kimchi aus regionalen Kohlsorten – und zwar nicht nur in Seoul, sondern in Wien, Berlin, Kopenhagen. In Buchhandlungen wird das Regal mit Werken zum Thema immer voller, im Internet werben schicke Gärtöpfe neuesten Datums, etwa von Mortier Pilon, um Aufmerksamkeit. Und auf ihren Blogs erzählen „Fermentistas“, wie der alte Sauerkrauttopf ihrer Oma mit den frisch geernteten Chioggia-Rüben aus dem eigenen Garten dank Milchsäure per Du wurde.

Diese Methode zum Haltbarmachen ist also richtig schwer im Trend – und gleichzeitig uralt. „Sollte es überhaupt eine Kultur geben, die ohne Fermentation auskommt, so wurde sie von Anthropologen jedenfalls noch nicht entdeckt“, schreibt etwa der amerikanische Gastrosoph Michael Pollan. In Afrika wird seit Jahrhunderten ebenso fermentiert wie in Ostasien, in Russland oder in Deutschland. Als bekannteste Beispiele für die anaerobe Gärung sind in unseren Breiten Salzgurken und Sauerkraut zu nennen. Und diese beiden schier ewig haltbaren Erzeugnisse weisen schon mit ihrem Namen auf zwei Hauptaspekte der milchsauren Vergärung (der häufigsten Art der Fermentation) hin: Salz und Säure. In Kurzform erklärt, funktioniert die Fermentation nämlich so: Unter Luftabschluss wird der in Gemüse enthaltene Zucker von den „guten“, praktischerweise salzresistenten Mikroorganismen in Milchsäure umgewandelt, während Salz (wichtig ist die richtige Menge) gleichzeitig die „bösen“ Bakterien abtötet. Das Ergebnis: hochgradig gesundes milchsauer vergorenes Gemüse, das nicht mehr weiter verrotten kann und somit lange Zeit auch ohne Kühlung knackig und haltbar bleibt. Ein weiterer Pluspunkt von Fermentiertem: ein weitaus höherer Vitamin-C-Gehalt – nicht umsonst hat man früher für lange Schiffsreisen Sauerkraut gegen Skorbut gebunkert.

Die Fermentation ist aber mehr als nur eine Methode zum Haltbarmachen. In den USA wurde sie bereits eine Bewegung mit politischen Dimensionen und nahezu religiösen Zügen. An der Spitze steht Sandor Ellix Katz, der Autor der „Bibel“ dieser Bewegung, des Buchs „Die Kunst des Fermentierens“. Katz macht gegen die großen Nahrungsmittelkonzerne mobil, die uns mit ihren toten, völlig sterilen Lebensmitteln überschwemmen und viele Menschen krank machen. Wenn in unserem Essen nicht einmal mehr die geringste Anzahl von Mikroorganismen enthalten sein darf – was absurd ist, waren es doch gerade diese, die seit Menschengedenken Lebensmittel wie Milch oder Fleisch haltbar gemacht haben –, kommt es zu Allergien ohne Ende. Im Darm, so weiß inzwischen selbst die Schulmedizin, steckt der größte Teil des menschlichen Immunsystems. Und der Darm von Kindern, die mit Fertiggerichten und Junkfood aufwachsen, kann niemals die nötige Widerstandsfähigkeit entwickeln. Das Immunsystem ist von Beginn an geschwächt.

In Supermärkten ist Gemüse nur in drei Formen zu finden: frisch, eingelegt oder tiefgekühlt. Und all das hat seine Tücken. Frisches Gemüse verdirbt. Selbst länger Haltbares wie Rüben oder Kraut wird irgendwann weich, es verfault eben unkontrolliert. Eingelegtem Gemüse wird oft eine beträchtliche Menge an Zucker oder künstlichem Süßstoff zugesetzt, es wird bei hohen Temperaturen sterilisiert und ist somit tot. Tot ist freilich auch tiefgekühltes Gemüse, zumindest für Menschen, die um feinstoffliche Qualitäten und Biophotonen wissen – also für eine ganz kleine Minderheit. Für alle anderen gilt: Tiefgekühltes macht abhängig von Strom, und der kostet.


Nach zwei Jahren so knackig wie am ersten Tag

Fermentiertes Gemüse hingegen steht in mehrfacher Hinsicht über all diesen Erscheinungsformen. Rote Rüben oder Karotten, die milchsauer vergoren wurden, sind selbst nach zwei Jahren noch so knackig wie davor. Für das Haltbarmachen braucht es, anders als beim Industriegemüse im Einmachglas, weder Zucker noch Essig noch Hitze – die Fermentation ist eine kalte Methode, die auch ohne Strom funktioniert. Und zwar auch bei der Lagerung! Es ist kein Tiefkühler notwendig und nicht einmal unbedingt ein normaler Kühlschrank. Ein Keller oder ein anderer kühler Ort zum Aufbewahren von Gurken-Kimchi oder Butternusskürbis-Sauerkraut reicht aus.

Für Sandor Ellix Katz ist die Fermentation auch deshalb so essenziell im Kampf gegen die Giganten unserer Zeit: weil sie uns unabhängiger macht. Von Energiekonzernen, von der Verfügbarkeit von Lebensmittelnachschub und dessen Verderblichkeit (mit milchsauer vergorenem Gemüse haben wir jederzeit vitaminreiche Vorräte parat, die lange haltbar sind) und auch von Pharmakonzernen: Schließlich profitieren diese davon, wenn unser Immunsystem schwach ist.

Wie funktioniert das Fermentieren nun in der Praxis? Es braucht je nach Zubereitungsart Salz oder Salzlake (idealerweise unjodiertes Meersalz) und einen Gärtopf mit Wasserrinne (darin ruht der Deckel lose und schließt dank des Wassers luftdicht ab, die Luftblasen können jedoch während des Gärvorgangs entweichen). Alternativ kann man auch ein großes Einmachglas mit weiter Öffnung verwenden sowie einen Gegenstand, der das Gemüse beschwert und für Luftabschluss sorgt, etwa ein mit Wasser gefülltes Tiefkühlsackerl.

Für den Anfang reicht es, folgende zwei Arten des Vergärens zu kennen: Kraut (oder anderes geraspeltes Gemüse) einerseits und Rote Rüben oder kleine Gurken als Stücke oder im Ganzen andererseits. Beginnen wir mit Ersterem: Gehobeltes Kraut wird mit Salz vermischt – hier empfehlen sich etwa zwei Prozent der Gesamtmenge – und in den Gärtopf gefüllt. Dann muss man es stampfen, bis ordentlich zelleigenes Wasser austritt. Das Kraut wird in dieser Flüssigkeit mit dem Beschwerer niedergedrückt. Dann den Gärtopf schließen.

Bei Roten Rüben oder Gürkchen braucht es indes eine drei- bis sechsprozentige Salzlake. Rote Rüben werden geschält, das Gemüse schneidet man in Stücke, Scheiben oder Stifte und schlichtet alles in den Gärtopf oder ein Einmachglas. Dazwischen können Gewürze wie Sternanis, Kümmel oder Nelken gestreut werden, zu Gürkchen passen auch Knoblauchzehen, zu Roten Rüben Lorbeerblätter und Koriandersamen.

Das Ganze gießt man nun mit der kalten Salzlake auf und sorgt mit dem Gärtopf-Stein oder einem anderen Beschwerer dafür, dass das Gemüse komplett von der Salzlake bedeckt ist. Egal, ob Kraut oder Rüben: Man lässt den Topf nun einige Tage bei Temperaturen zwischen 15 und 23 Grad im Dunkeln stehen. Und wartet. Wann die Fermentation abgeschlossen ist, ist Erfahrungssache. Manche sagen: wenn es nicht mehr blubbert. Andererseits: Möge es noch lange blubbern.

Omas dicke Schimmelschicht

Das Arbeiten mit Mikroorganismen birgt natürlich Fehlerquellen. Bakterien sind Wesen, die schon einmal ein Eigenleben führen können. Wie der Vorgang des Fermentierens in der eigenen Küche verläuft, hängt außerdem von vielen Faktoren ab: etwa vom Zuckergehalt des verwendeten Gemüses – schließlich ist er es, der in der Folge in Milchsäure umgewandelt wird –, von der Umgebungstemperatur, der Sauberkeit beim Arbeiten und nicht zuletzt von Erfahrung.

Man muss seine ersten fermentierten Rüben nicht gleich wegwerfen, wenn sich etwa – was sehr häufig vorkommt – ein weißer Film auf der Lake bildet. Man schöpft diesen einfach ab. Schwarzer oder orangefarbener Schimmel aber bedeutet: Ab in den Müll mit allem. Sandor Katz, der „König des Fermentierens“, hält in seinem fast 400 Seiten starken Buch eigene Kapitel bereit, was man tut, wenn. Seine Arbeit, die unten als Empfehlung angeführt ist, ist übrigens schlechthin das Standardwerk zum Thema, es geht darin nicht nur um die Praxis, sondern auch um historische, wissenschaftliche und politische Facetten der Vergärung durch Bakterien – das könnte manchen etwas zu ausführlich sein.

Zurück zum Schimmel: Die Autoren des Buchs „Fermentieren“ aus dem Löwenzahn-Verlag erzählen gar von einer Oma, die die zentimeterdicke Schimmelschicht auf ihrem Sauerkraut einfach abgehoben hat, um etwas Kraut zu entnehmen, und sie dann quasi als Dichtung wieder daraufgesetzt hat! Für den Anfang empfiehlt sich allerdings eher Vorsicht. Knackigkeit statt Matschigkeit ist ein guter Hinweis auf intaktes Gärgut. Auch der Geruchssinn ist nützlich: Dass es etwas streng riecht, ist während des Fermentationsprozesses normal. Ein richtig ekelhafter Gestank allerdings nicht.


Zum Weiterlesen: Kirsten K. Shockey & Christopher Shockey
„Fermentieren“, Löwenzahn-Verlag, 29,90 Euro; Sandor Ellix Katz „Die Kunst des Fermentierens“, Kopp-Verlag, 29,95 Euro.

Foto: Westend61/Getty Images RF

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