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Der ganz normale Seitensprung

RELAX Magazin von Redaktion RELAX Magazin 7. Februar 2017

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Jedes Geschichtsbuch macht deutlich, wie sexbesessen der Mensch eigentlich ist. Das Problem dabei: Unser Wertesystem ist auf Monogamie ausgelegt, unsere Biologie hingegen auf das Gegenteil. Neues aus der Evolutionsforschung.

Die Welt wäre um einiges einfacher, hätte der Mensch das Paarungsverhalten des Diplozoon paradoxum. Sobald diese Fischparasiten geschlechtsreif sind, verkoppeln sich Männchen und Weibchen untrennbar ineinander und bleiben fortan ein einziges zwitterhaftes Wesen. Entsprechend monoton ist das Sexleben: Die Samenleiter des Männchens verwachsen mit der Vagina des Weibchens – es ist nichts mehr zu tun!
Beim Menschen ist es nicht ganz so einfach. Zwar gilt Monogamie vor allem in der westlichen Welt noch immer als das Beziehungsideal und Treue als zentraler Wert zwischen Liebenden, doch gibt es dabei ein dezentes Problem: Der Mensch scheint nicht auf Monogamie programmiert zu sein. Denn wäre er es, dann würde Sex mit anderen niemanden interessieren.
Auch ein Blick in die Statistik beweist, dass Treue zwar ein Ideal ist, die Realität aber häufig anders aussieht: Bei unterschiedlichen Untersuchungen liegt die Zahl der Männer, die zugaben, schon fremdgegangen zu sein, bei rund 50 Prozent, bei Frauen sind es 40 Prozent.
Seitdem die Ehe ihre Bedeutung zunehmend verliert, steigt die Zahl der Scheidungen in westlichen Ländern rasant. Inzwischen findet jede zweite Ehe ein Ende, bevor der Tod sie scheidet. Haupttrennungsgrund ist – die Untreue eines Partners!


Foto: Getty Images/stock_colors RF

Treue als zentrales Element der Beziehung

Wie wichtig Treue für uns ist, bestätigen Studien stets aufs Neue: Bei einer repräsentativen GfK-Umfrage etwa betonten rund zwei Drittel, dass Treue ein zentrales Element ihrer Beziehung ist. Eine Zahl, die über Jahre hinweg konstant bleibt. Der Liebesalltag profitiert allerdings kaum von diesem Ideal: Paare, die einander tatsächlich dauernd treu bleiben, machen oft große Abstriche in ihrem Sexualleben. Der riesige Markt von Paartherapeuten, Sexratgebern, Erektionshilfen und Lustpillen kommt wohl nicht von ungefähr. Dennoch leidet etwa in den USA fast jede zweite Frau unter sexueller Lustlosigkeit.
Doch wenn Monogamie die beste Beziehungsform für uns ist, wieso haben wir dann so ein riesiges Problem damit? Untreue ist auch kein neues Phänomen, ganz im Gegenteil: Schon die Protagonisten im Alten Testament hatten – nicht unbedingt gottgefällig – jede Menge Affären. König David beispielsweise schwängerte die Ehefrau eines Offiziers, während dieser für ihn im Krieg kämpfte. Und der römische Dichter Ovid liefert eine sehr modern anmutende Anleitung für den erfolgreichen Seitensprung – genießen und vertuschen: „Ist’s einmal heraus, leugne es beharrlich ab. Schone aber nicht deine Lenden! Leugne durch Beischlaf, dass du mit einer anderen schliefst!“
Auch jedes Geschichtsbuch macht deutlich, wie sexbesessen wir tatsächlich sind. Berichte über Mätressen von mächtigen Männern gibt es ohne Zahl. Der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy bestellte sich sogar Prostituierte ins Weiße Haus. Doch auch einflussreiche Frauen wie etwa Kleopatra waren alles andere als Kostverächterinnen.
Seit jeher wühlen die Medien im Schlamm des Intimen und ergötzt sich das Publikum an Affären und bizarren Ausschweifungen. Auch der milliardenschwere Pornomarkt muss von unserem unbändigen Interesse an Sex getrieben sein. Doch genauso interessiert, wie wir sind, schämen wir uns auch dafür. Kein Aspekt menschlichen Lebens ist so mit Moral überschüttet und verlogen wie der Umgang mit Sex. Bis heute predigen konservative Politiker und Kirchenmänner gerne traditionelle Familienwerte, nur um sich danach zur Geliebten oder zu einer – mitunter auch männlichen – Prostituierten davonzustehlen. Die linksliberale Gegenseite ist um nichts besser: Die ewigen Diskussionen über Herrenwitze, sexuelle Belästigung und Eye-Raping dokumentieren ebenfalls ein ziemlich gestörtes Verhältnis zur Sexualität – nur das Wording ist halt politisch korrekt.
„Wir leben zwar in angeblich liberalen Zeiten, doch manche auf der Hand liegenden schmerzhaften Wahrheiten darf man nicht aussprechen. Der Gegensatz zu dem, was wir fühlen sollen, und dem, was wir tatsächlich fühlen, ist möglicherweise die Hauptursache von Verwirrung, Unzufriedenheit und unnötigem Leid. Die üblichen Antworten lösen ja nicht das Rätsel, das unser Liebesleben durchzieht: Warum sind Männer und Frauen in ihren Sehnsüchten, Fantasien, Reaktionen und ihrem Sexualverhalten so verschieden? Warum betrügen wir einander und lassen uns häufig immer wieder scheiden, sofern wir überhaupt noch heiraten? Woher kommen die Heerscharen alleinerziehender Mütter und Väter? Warum schwindet die Leidenschaft oft schon bald nach der Hochzeit? Wodurch erlischt dieses Verlangen?“, fragt sich auch der Evolutionsbiologe Christopher Ryan in dem Buch „Sex: Die wahre Geschichte“.
Wie sehr wir unseren Trieben misstrauen, spiegelt sich schon in den unzähligen Gesetzen und Vorschriften, die den menschlichen Verkehr in geordnete Bahnen bringen sollen. Zum ersten Mal schrieben die Babylonier vor 4.000 Jahren ein Gesetz auf, das den Ehebruch verbat. Doch auch in Athen, Rom und Ägypten war Sex mit einer verheirateten Person tabu. Christen und Juden sandte sogar Gott persönlich via Moses das sechste Gebot, dem zufolge man „nicht ehebrechen“ soll.
Dass das Christentum mit der Sexualität generell auf Kriegsfuß steht, ist hinlänglich bekannt. Obwohl Jesus kein Wort davon gesprochen hatte, erhob schon das frühe Christentum das Zölibat zum Ideal und machte aus Sex etwas Schmutziges.
Im 11. Jahrhundert übernahm die christliche Kirche endgültig die Kontrolle über die Ehe. Die Nachwehen der darauf folgenden Massentraumatisierung wirken bis heute: Sex galt nun nicht nur als unrein, sondern zog – sobald er die engen kirchlich vorgegebenen Strukturen verließ – den Zorn Gottes auf sich. Der Platz in der Hölle war dem Sexsünder so gut wie sicher.
Da aber nicht einmal das gestrenge Auge Gottes die Menschen davon abhalten konnte, es weiterhin bunt miteinander zu treiben, wurden Vergehen von Kirchengerichten hart bestraft. Wobei Arme schneller und härter bestraft wurden als Reiche.
Erst die Aufklärung ermutigte die Menschen, Autoritäten zu hinterfragen – auch die kirchliche Lehre. Doch selbst im 21. Jahrhundert ist der Nachhall der Sexverteufelung noch einfach zu finden: In Boulevardmedien stösst man schnell auf eine Story, in der eine „richtige Sau“ angeprangert wird. Besonders in den USA gibt es weiterhin bizarre Gesetze, die an das Kirchengericht erinnern: So darf etwa eine Frau in Arizona höchstens zwei funktionstüchtige Dildos besitzen, in 18 Bundesstaaten ist Oralverkehr selbst zwischen Eheleuten verboten, und in Virginia darf der Liebesakt nur im Dunkeln vollzogen werden.

Hippie-Ahnen in der Sex-Kommune

Das Christentum steht mit seiner Sexfeindlichkeit aber nicht alleine da: Alle Kulturen, in denen sich der Ackerbau durchsetzte, regeln die Sexualität auf irgendeine Art, wobei vor allem die Frauen mit allerhand Vorschriften bedacht wurden. Der Grund dafür: Kontrolle! Denn Sexualität ist, sobald sie mit Scham besetzt ist, ein sehr effektives Mittel sozialer Kontrolle.
In der Natur ist Monogamie indes eine Ausnahmeerscheinung. Weniger als 10 Prozent aller Tierarten binden sich fest an einen Partner. Selbst der Schwan, das Symbol für Treue schlechthin, ist in Wahrheit ein Hallodri, wie Genanalysen zeigten. Forscher gehen mittlerweile sogar soweit, zu behaupten, dass Monogamie eine derartige Ausnahmeerscheinung ist, dass sie zumeist einen enormen Erklärungsbedarf hat.
Diesen Erklärungsbedarf hat sie auch beim Menschen: Denn monogame Beziehungen entstanden erst mit der Ausbreitung des Ackerbaus vor etwa 10.000 Jahren. Millionen von Jahren zuvor hatten wir als Jäger und Sammler mit weitaus liberaleren Ansichten gelebt. „Die Entstehung der Landwirtschaft ist der Wendepunkt, der dazu führte, dass moderne Menschen völlig anders als alle anderen Tiere und früheren Menschentypen leben und denken“, schreibt der Archäologe Steven Mithen.
Über die Jahrmillionen, in denen sich der Mensch als Jäger und Sammler durch die Evolution schleppte, ist wenig bekannt. Fest steht aber, dass unser Bild des schlecht gekleideten Neandertalers, der eine Keule schwingt, während er eine erbeutete Frau in seine Höhle schleppt, blanker Unsinn ist. Unsere Vorgänger waren auch keine Einzelkämpfer, sondern dürften in Stämmen von 120 bis 150 Personen gelebt haben. Funde und Knochenauswertungen deuten zudem darauf hin, dass es damals keineswegs so dunkel und brutal war, wie man lange Zeit geglaubt hatte. Im Gegenteil: Es dürfte ziemlich friedlich zugegangen sein. Die materielle Versorgung war meistens gewährleistet, und Streit wurde eher mit Sex als mit Gewalt gelöst.
Die Mitglieder einer Gruppe dürften in einer Nähe zueinander gelebt haben, die heute eher unerträglich wäre. Die einzelnen Personen verstanden sich auch nicht als Individuen wie heute, sondern als Teil ihres Stammes. Innerhalb der Gruppe gab es kaum Rangordnungen, und wenn überhaupt, dann hatten eher Frauen das Sagen. Die Nahrung wurde untereinander geteilt, horten galt als Verbrechen. Genauso großzügig ging es beim Sex zu: Zwar gab es wohl auch Tabus, aber grundsätzlich trieb es jeder mit jedem. Kinder galten folgerichtig nicht als Besitz der Eltern, sondern wurden vom Stamm aufgezogen.

Deprimierender Sex am Bauernhof

Wie sehr wir mit dieser Art zu leben anscheinend noch immer in Resonanz stehen, zeigte sich, als 2009 der Film „Avatar“ in die Kinos kam. Er zeigte das Leben einer fiktiven „Na’vi“-Rasse auf dem Planeten Pandora in magischem Einklang mit der Natur und untereinander. Das natürlich filmisch krass überzeichnete Szenario entsprach in etwa jenem unserer Ahnen – allerdings ohne Orgien, da der Film auch für Kinder gedacht war. Der Film löste eine ungeahnte Welle an depressiven Verstimmungen aus, die medial den Namen „Avatar Blues“ erhielten. Die Zuseher sehnten sich danach, auch in dieser Welt zu leben anstatt in der grauen Trostlosigkeit westlicher Städte.
Aus nicht ganz geklärten Gründen – die Theorien reichen bis hin zu einer Intervention von Außerirdischen – entschieden sich unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren dafür, Bauern zu werden, obwohl die Arbeit wesentlich aufwendiger als das Sammeln und Jagen war. Dadurch änderte sich alles: das Bevölkerungswachstum, die Organisationsformen, die Götter, Familienstrukturen wie Geschlechterhierarchien. Begriffe wie Besitz, Reichtum und Erblinie wurden geboren. Um sicherzustellen, dass nur ihre eigenen Kinder von der harten Arbeit profitierten, achteten die Männer plötzlich akribisch darauf, dass ihre Frauen mit niemand anderem Sex hatten. So entstand nebenbei das Patriarchat: die Frau wurde als Eigentum des Mannes dem Haushalt einverleibt, der Zugang zu den materiellen Ressourcen an ihre sexuelle Verfügbarkeit geknüpft.
Seitdem herrscht jenes menschliche Sexualschema, das Charles Darwin in der Evolutionstheorie ausformulierte: Männer streben danach, ihre im Überfluss vorhandenen Spermien möglichst weit über die Welt zu verteilen und dabei gleichzeitig eine oder mehrere Frauen zu kontrollieren, um die Wahrscheinlichkeit der eigenen Vaterschaft zu erhöhen. Frauen hingegen hüten ihren begrenzten Vorrat an Eizellen, den sie nicht an unwürdige Männchen verschwenden dürfen. Haben sie aber einmal ihren Versorger in der Tasche, heben sie während des Eisprungs willig den Rock für heimliche Paarungen mit Alphamännchen mit überlegener genetischer Ausstattung.
Grob heruntergebrochen läuft seither das Paarungsverhalten folgendermaßen ab: Bursche trifft Mädchen; Bursche schaut auf Jugend, Gesundheit, Fruchtbarkeit und sexuelle Unerfahrenheit des Mädchens. Mädchen schaut auf Wohlstand, Gesundheit und hohen sozialen Status. Bei einer Übereinstimmung kommt es zum Geschlechtsakt.
Entsprechend deprimierend wurde auch der Sex: „Während die Sexualität von Jägern und Sammlern auf der Idee des Teilens und der Komplementarität beruhte, war der Sex der frühen Bauern voyeuristisch, repressiv, homophob und auf die Fortpflanzung ausgerichtet. In ihrer Furcht vor der Wildnis machten die Bauern sich daran, diese zu zerstören“, argumentiert der Archäologe Timothy Taylor in dem Buch „The Prehistory of Sex“.

Nachschau bei Schimpansen und Bonobos

Die Monogamie siegte dennoch, und sie trug maßgeblich zum Bevölkerungswachstum bei. Wenn Wissenschafter meinen, eine solche Zweckgemeinschaft sei bloß evolutionsbedingt, dann lassen sie freilich ein zentrales Wesensmerkmal des Menschen außer Acht: Wir begehren nicht nur, wir lieben auch!
Will man der ursprünglichen Sexualität des Menschen auf die Spur kommen, dann liegt es nahe, unsere nächsten Verwandten im Tierreich zu studieren, die Menschenaffen. Ihre DNA stimmt mit unserer zu mehr als 98 Prozent überein – der genetische Unterschied Rotkehlchen und Braunkehlchen ist größer!
Unter allen Menschenaffen gibt es nur eine einzige Spezies, die monogam ist: den Gibbonaffen. Er lebt genügsam in Kleinfamilien, verlässt so gut wie nie seinen Baum, ist unintelligent, und sein Sex dient ausschließlich der Fortpflanzung. Kurzum: als Modell menschlichen Sexualverhaltens ist er bedeutungslos.
Ganz anders da die Schimpansen und Bonobos. Zuerst studierte man im 20. Jahrhundert aber das Treiben der Schimpansen. Doch sie sind machtbesessen, eifersüchtig, hinterhältig, aggressiv und gewalttätig. Forscher berichteten von Mord, organisierten Kriegszügen, Vergewaltigungen und Kindstötungen.
Entsprechend negativ war auch das Fazit der Wissenschaftler: In einer solcherart schaurigen Welt würde auch der Mensch leben, ließe er seiner grausamen Natur freien Lauf. „Es steht zu vermuten, dass die Gewalttätigkeit eines schimpansenartigen Ahnherrn dem Phänomen des menschlichen Krieges vorausging“, resümiert der Primatenforscher Richard Wrangham.
Unser Menschenbild sähe völlig anders aus, hätte sich die Forschung zuerst den Bonobos zugewandt. Der grundlegende Unterschied zwischen Bonobos und Schimpansen ist frappierend: Schimpansen lösen sexuelle Fragen durch Macht, Bonobos lösen Machtfragen durch Sex!
Entsprechend lockere Zeitgenossen sind Bonobos auch. Sie regeln ihre Konflikte normalerweise gewaltfrei und haben am Tag durchschnittlich alle 90 Minuten Sex. Praktiziert wird dabei alles: heterosexueller Beischlaf in verschiedenen Positionen, Fellatio und Analverkehr – in allen erdenklichen Kombinationen von Männchen und Weibchen. Bonobos lieben zudem eine Praktik, die wir nur dem Menschen zuschreiben: Geschlechtsverkehr von Angesicht zu Angesicht.
Ein weiterer Kitt im Sozialleben der Bonobos ist Sex zwischen Weibchen. Die Folge: Es entstehen eigene reine Frauenbündnisse – um die Männchen gemeinsam im Zaum zu halten.
Dieses durch Sex gewobene Band führt dazu, dass die Bonobos ausgesprochen sozial sind. Während Schimpansen etwa erbittert um jeden Futterbissen kämpfen, warten Bonobos nach einem Futterfund erstmal auf die anderen. Sobald alle da sind, folgt eine ausgiebige Orgie, danach wird alles friedlich geteilt.
Doch wer ähnelt nun dem Menschen mehr? Auch wenn ein Blick in die Tageszeitung ein anderes Bild suggeriert, es sind tatsächlich die Bonobos. Die Hinweise sind eindeutig: Neben dem Menschen produzieren nur Bonobos das Kuschelhormon Oxytocin, das Emotionen wie Mitleid, Vertrauen, Großzügigkeit und Liebe fördert. Schimpansen fehlt dieses Hormon völlig. Zudem werden bei Bonobos Verhaltensweisen beobachtet, die man nur vom Menschen kennt: Sie gehen Arm in Arm, küssen einander die Hände und tauschen lange, tiefe Zungenküsse aus.
Es gibt sogar noch mehr Ähnlichkeiten: Menschen haben wie Bonobos während des gesamten Zyklus Sex, Schimpansen nicht. Kinder von Menschen und Bonobos entwickeln sich deutlich langsamer und beginnen erst mit eineinhalb Jahren, mit anderen Kindern zu spielen. Wie Menschen kehren Bonobos sofort nach einer Geburt in die Gruppe zurück, da es keine Kindstötungen gibt. Bei Menschen und Bonobos können sexuelle Kombinationen variabel sein, bei beiden ist Homosexualität häufiger – bei Schimpansen dagegen höchst selten.

„Mit den Genitalien geizen“ – wie unhöflich!

„Ich versuche mir manchmal vorzustellen, wie die Dinge gelaufen wären, hätten wir zuerst den Bonobo und später – oder überhaupt nicht – den Schimpansen kennengelernt. Die Diskussion über die Evolution des Menschen würde sich nicht so sehr um Gewalt, Krieg und männliche Dominanz, sondern vielmehr um Sexualität, Empathie, Fürsorge und Kooperation drehen“, sagt Primatenforscher Frans de Waal.
In nomadisch lebenden Gruppen dürfte Sexualität wie bei den Bonobos weit über reine Fortpflanzung hinausgegangen sein. Nach Christopher Ryan war Sex vielmehr der Klebstoff, der eine Gruppe zusammenschweißte. Ohne Sex als Bindemittel hätten, so Ryans These, die umherstreifenden Horden wohl kaum über Jahrtausende hinweg ihre soziale Stabilität und Fruchtbarkeit bewahren können.
Spuren solchen Lebens gibt es übrigens auch heute noch, etwa bei dem brasilianischen Indigenenvolk der Matis: Außerehelicher Sex wird hier nicht nur häufig praktiziert und für gewöhnlich toleriert, sondern scheint in vielerlei Hinsicht sogar eine Vorschrift zu sein. Ob verheiratet oder nicht, man hat die moralische Pflicht, auf die sexuellen Avancen eines Kreuzverwandten einzugehen, da es sonst hieße, man würde „mit den eigenen Genitalien geizen“. Und das gilt als ziemlich unhöflich.
Bei den Moso, einer alten Gesellschaft im Südwesten Chinas, ist die Vaterschaft so wenig gesichert und unbedeutend, dass die Männer tatsächlich die Kinder ihrer Schwestern als die eigenen großziehen. Die Moso sind ein matrilineares, Ackerbau treibendes Volk, bei dem Name und Besitztümer von der Mutter an die Töchter vererbt werden, sodass die Frauen das Zentrum des Haushaltes bilden. Erreicht ein Mädchen das gebärfähige Alter, erhält sie ihr eigenes Schlafzimmer, das sich sowohl zu einem Innenhof als auch über eine private Tür zur Straße hin öffnet. Ein Moso-Mädchen entscheidet völlig selbständig, wer durch diese private Tür in ihr Babahuago (Blumenzimmer) tritt. Die einzige Regel lautet, dass der Gast bei Sonnenaufgang wieder gehen muss. Wenn sie möchte, kann sie sofort einen anderen Liebhaber haben, es gibt keinerlei Erwartung an eine Bindung, und jedes ihrer Kinder wird mit Hilfe ihrer Brüder und der Gemeinschaft im Haus ihrer Mutter aufgezogen. Sex und familiäre Beziehungen werden dabei strikt getrennt.

Interessanterweise widerspricht das alternative „Sex als sozialer Klebstoff“-Konzept überhaupt nicht der Evolutionstheorie. Es ist nur ein bisschen diffiziler. So gibt es zwar eine Rivalität zwischen Männern, doch nicht auf persönlicher, sondern auf der Ebene der Spermien. Für einen „Krieg der Spermien“ spricht jedenfalls die Pilzform des Penis. Durch die Rein-raus-Bewegung beim Sex entsteht ein Saugeffekt, der dazu dient, Spermien eines anderen Mannes wieder aus der Frau herauszuholen. Außerdem enthält die erste Spermienladung oft Stoffe, die fremde Samenzellen angreifen, die letzte enthält wiederum Substanzen, die nachfolgende Spermien zersetzen.
Auch das Sexualverhalten der Frau liefert Hinweise, die für Christopher Ryans „Sex als sozialer Klebstoff“-These spricht. Es gilt als kulturübergreifend, dass Frauen beim Orgasmus viel lauter sind als Männer. Dafür muss es aber einen trifftigen evolutionären Grund geben, denn für zwei unbewaffnete Menschen, die noch dazu gerade intensiv beschäftigt sind, ist es in der freien Wildbahn nicht gerade ratsam, etwaige Raubtiere auf sich aufmerksam zu machen. Die Lustschreie der Frau haben tatsächlich einen tieferen Sinn: Sie dienen dazu, andere Männer anzulocken, um auch mit ihnen zu schlafen. Ein kleiner Trost für den Mann von heute: Das könnte auch der Grund dafür sein, weshalb die Herren beim Liebesspiel gerne Erster sind und ein langes Nachspiel nicht unbedingt favorisieren. Die Ursache für die unterschiedlichen Erregungskurven der Geschlechter dürfte sein, dass Frauen dafür angelegt sind, mit mehreren Männern hintereinander zu schlafen. Und sich vom genetisch besten Sperma schwängern zu lassen.
Der Mensch steckt also in einem ziemlichen Dilemma: Sein Wertesystem ist auf Monogamie ausgelegt, seine Biologie nicht. „Der Mensch ist zwar von der Natur so konstruiert, sich zu verlieben und sich nach ewiger Liebe zu sehnen. Aber er ist nicht dazu gebaut, treu zu bleiben“, bringt es etwa der amerikanische Soziobiologe Robert Wright auf den Punkt.
Und es scheint auch keine Lösung in Sicht. In der Theorie und in der Phantasie mag ja der Gedanke, in einer bonobohaften Sexkommune zu leben, durchaus verlockend sein, in der Realität sind die vielen Hippie-Gemeinschaften, die mit dem Traum von freier Liebe und völliger Gleichheit begonnen haben, freilich stets gescheitert. Sie endeten in einem Alptraum aus Bevormundung und Dominanz.
In einem Interview mit der „Welt“ meinte Evolutionsbiologe Ryan dennoch, dass diese Art der Gemeinschaft möglich wäre: „Ich habe nach frühen Beispielen gesucht für Leute, die in den USA des 20. Jahrhunderts Alternativen zum traditionellen Ehemodell ausprobierten. Ich stieß auf Piloten im Zweiten Weltkrieg, die Luftangriffe gegen die Japaner flogen und unter allen Divisionen die höchsten Sterblichkeitsraten aufwiesen. Zurück an ihren Militärbasen veranstalteten sie sogenannte Schlüsselpartys, bei denen die Autoschlüssel wie Karten gemischt und zufällig wieder verteilt wurden. Die Frauen zogen sich mit dem Mann zurück, dessen Autoschlüssel sie erwischt hatten. Es ging dabei gar nicht so sehr um Sex, sondern um Intimität. Diese Männer wussten: Wenn sie nicht zurückkehren würden, würde sich sein Kamerad um seine Frau kümmern, weil er sie auf eine Weise liebte.“

Sehnsucht: sicherer Hafen plus stürmische See

Abseits solcher Extremsituationen sind derartige Lebenskonzepte aber kaum vorstellbar. Für eine breite Mehrheit ist ein Leben ohne Privatbesitz, eigene Frau und Kinder schlechthin undenkbar. Es ist wohl eher von folgendem Szenario auszugehen: Ein Großteil der Menschen der westlichen Welt wird auch in kommenden Jahren weitermachen wie bisher. Ob in klassischer Ehe, Serienmonogamie mit wechselnden Partnern oder in Vielweibereiexperimenten – wir werden wohl noch länger keine Form finden, die unsere Sehnsucht nach einem sicheren Hafen genauso befriedigt wie jene nach dem Sturm auf hoher See.
So lässt denn auch der Werbetext einer Seitensprungagentur eher Wehmut als Freude aufkommen: „Das Fremdgehen wird als Genuss betrachtet – wie guter Wein oder ein Festmahl. Wir sind auf dem besten Weg in eine offene, tolerante Gesellschaft. Wenn also in der trauten Zweisamkeit der graue Alltag eingekehrt ist oder sexuelle Sehnsüchte nicht erfüllt werden, dann kann ein Seitensprung oder auch eine dauerhaftere Zweitbeziehung Wunder wirken. Davon profitiert vielleicht auch der unbeteiligte Partner, der davon möglicherweise gar nichts ahnt.“
Zum Abschluss trotzdem noch eine kleine unmoralische Notlösung: Die amerikanischen Psychologen David Schmitt und Todd Shackelford haben eine Rangliste der besten Täuschungstricks nach einem Seitensprung erstellt. Fazit: Der Mann ist besonders leicht hereinzulegen. Er wird zwar argwöhnisch, sobald die Partnerin öfter ausgeht als sonst und mehr auf ihr Äußeres bedacht ist. Doch solange sie mit ihm weiterlebt wie üblich, wird er kaum Verdacht schöpfen. Wendet sie sich ihrem betrogenen Partner auch noch mit mehr Sex zu, dann ist er überhaupt zufrieden. Auch die Frau kann erfolgreich hintergangen werden: Der Mann muss nur tiefe, emotionale Gespräche führen und von einer gemeinsamen Zukunft schwärmen.


Zum Weiterlesen: Robin Baker: „Krieg der Spermien: Weshalb wir lieben und leiden, uns verbinden, trennen und betrügen“, Bastei 2002, 41,98 Euro; Christopher Ryan: „Sex: Die wahre Geschichte“, Klett-Cotta 2016, 24,95 Euro.

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