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Yoga geht ganz anders

RELAX Magazin von Redaktion RELAX Magazin 8. Juni 2022

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Yoga liegt voll im Trend. Doch häufig treffen allzu ehrgeizige Schüler auf unerfahrene Lehrer. Verletzungen und körperliche Schäden sind dann oftmals die Folge. Aber auch die Auswirkungen auf die Psyche können fatal werden. Über das, was Yoga eigentlich ist und was es bewirken kann. Und wie es dazu kam, dass es zum großen Geschäft sowie zum Trendsport für urbane Stresspatienten verkommen ist.

Kein Zweifel ist möglich: Yoga liegt im Trend, seine Popularität ist im vergangenen Jahrzehnt geradezu explodiert, die Zahl der Yogalehrer steigt und steigt, und kaum ein Wellnesshotel, das nicht auch Yoga in seinem Programm bewirbt. Waren es vor dreißig, vierzig Jahren vornehmlich noch sanftbunt und wunderlich gekleidete Menschen mit langen Mähnen, die im Lotussitz um eine Buddha-Figur herumsaßen und „Om Shanti“ sangen, so kann man heute fast schon überall ein Yogastudio finden, das von ganz alltäglichen Menschen besucht wird. Inzwischen gibt es eine Unzahl von Yogazeitschriften, aber auch von medizinischen Studien, zudem Hunderte verschiedene Ausbildungen zum Yogalehrer. Dabei handelt es sich aber nicht um einen geschützten Begriff, so dass das jeder anbieten darf, selbst wenn er nur einen Wochenendkurs besucht haben sollte. Und es gibt eine verlockende Outfit-Werbung, die uns glauben machen will, man bräuchte irgendeine spezielle – und natürlich aktuell modische – Kleidung dafür. Solcherart gestylte Frauen tummeln sich in Scharen auf den Social-Media-Plattformen und zeigen mit kaum zu verhüllender Selbstgefälligkeit alle möglichen und unmöglichen Yogaposen sowie stets neue, „trendige“ Yogaformen, die freilich gar keine sind, aber davon später.

Doch warum wurde Yoga nun zum Trend? Die Basis legten mehrere Menschen, die um die 1970er Jahre das jahrtausendealte indische Medizinsystem Ayurveda (Yoga ist ein Teilbereich davon) in den westlichen Industrieländern bekanntmachten, allen voran der 2008 verstorbene Guru Maharishi Mahesh Yogi. Er versammelte übrigens auch Pop- und Filmgrößen wie die Beatles, Clint Eastwood und Mia Farrow zu Kursen in Rishikesh. Buchautor Deepak Chopra nennt ihn rückblickend „eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Jahrhunderts“, Ringo Starr „einen der wirklich weisen Männer, denen ich im Leben begegnet bin“, und nach Regisseur David Lynch hat Maharishi „das Fundament für einen weltweiten Frieden gelegt“.


Sinnsuche und Selbstentfaltung

Das seit den 1960er Jahren hauptsächlich von Kalifornien ausgehende Human Potential Movement betrachtete Selbstentfaltung und Sinnerfüllung als das höchste Ziel des menschlichen Seins. Das „wahre Selbst“ müsse gestärkt werden, anstatt die Menschen an die Zwänge der herrschenden Wirtschaftsordnung anzupassen. Zentrales Anliegen ist, dass Menschen durch die Entfaltung ihres Entwicklungspotenzials ihre Lebensqualität verbessern können, was zu höherer Reife, Angstfreiheit, Gesundheit, Selbsterfüllung und Lebenssinn führt und sich auf lange Sicht gesehen positiv auf die Gesellschaft auswirken wird.

In der Folge entstanden zahlreiche neuartige psychotherapeutische Verfahren, und häufig wurden auch Yoga und Meditation integriert – und immer mehr Menschen in Europa und den USA kamen mit Yoga in Berührung. Vom großen Trend war es damals freilich noch weit entfernt. Seinen Anfang nahm er erst, als mit dem Boom der IT („Informationstechnologie“) das Zeitalter der permanent sich beschleunigenden Informationsflut über die Welt hereinbrach und die steilste Phase der Beschleunigung auf allen Ebenen einleitete.

Der in den urbanen Ballungszentren herrschende Stresslevel, der spätestens seit den 1980er Jahren ständig zugenommen hatte, erreichte damit für die meisten Menschen unserer Zeit ein Ausmaß, das in der Zivilisationsgeschichte wohl einmalig dasteht. Und es verwundert nicht, dass sich zur selben Zeit ein neues Krankheitsbild geradezu seuchenartig auszubreiten begann, das inzwischen ein Fünftel der Bevölkerung erfasst hat: Burnout. Das Ausgebranntsein. Antriebslos, gereizt, innerlich leer. Ein Zustand tiefer emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung.

Zu den bisherigen Stressoren, etwa Lärm, wirtschaftlicher Unsicherheit, Realeinkommensverlusten, Umweltgiften, sozialen Spannungen, illegaler Migration – um nur einiges zu nennen –, kam also die zivilisationsgeschichtlich völlig neue Informationsflut hinzu, ein Würgegriff unseres Wirtschaftssystems, der uns immer mehr den Lebensatem raubt und uns keine Pause mehr gönnen will. Stündlich, minütlich: News, neue Trends, neue Gesetze, turbulente Entwicklungen auf den Märkten, Katastrophen – bereits eingetretene und angekündigte –, Nachrichten und Botschaften aus Tausenden von Quellen.


Drogen aus dem eigenen Körper

Viele glauben heute, sie müssten sich zum Stress durch die Informationsflut sowie zum täglichen Stress in Verkehr, Familie und Beruf zusätzlich noch jenen der sozialen Medien zumuten, müssten sich mit allen möglichen Personen, die sie kaum oder gar nicht kennen, „vernetzen“, um sich irgendwie zugehörig zu fühlen, und sich zudem in möglichst positiver Selbstdarstellung üben, weil es „Freunde“ und Follower bringt. Natürlich kann man dabei nicht anders, als oberflächlich zu bleiben, und natürlich sind diese „Freunde“ gar keine wirklichen Freunde – eine tiefere soziale Bindung fehlt. Dennoch treibt jede unbeantwortete Nachricht auf dem Handy den Stresslevel noch weiter nach oben.

Immer mehr Informationen müssen also immer schneller und vor allem nahezu sofort verarbeitet werden. Mehr Stress, mehr Oberflächlichkeit und eine sich stetig verringernde Konzentrationsfähigkeit sind die Folge. Freilich, die Fähigkeit, sich über einen längeren Zeitraum mit nur einer Sache zu beschäftigen, sehen heute viele bereits als altmodisch an. Denn in allen Lebensbereichen werden wir unweigerlich zum Multitasking gezwungen – so als wäre der Mensch ein Computer. Doch das ist er nicht. Die Forschung hat bewiesen, dass unser Gehirn Informationen nicht wie ein solcher gleichzeitig, sondern nur nacheinander verarbeiten kann.

Auf diesen Informationsstress reagiert unser Körper mit der Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol, damit lässt sich die Leistungsfähigkeit des Gehirns über kürzere Zeiträume ganz weit über normal erhöhen. Allerdings:Diese vom Körper selbst produzierten Drogen, mit denen uns die Natur im Laufe der Evolution ausgestattet hat, wären eigentlich nur für kurzfristige Einsätze auslegt, um uns, wie einst den Höhlenmenschen vor einem Raubtier, aus Gefahren zu retten – durch Angriff oder Flucht.

Heute aber missbrauchen wir dieses körpereigene Werkzeug „Kurzzeit-Doping“, weil wir unserem Gehirn permanent eine Gefahrensituation vorgaukeln, indem wir quasi ohne Pause höchste Informationsverarbeitungsleistung von ihm abverlangen. Daher muss der Körper auch ständig diese Stresshormone ausschütten. Fürchterlich? Nein, weit gefehlt! Das gefällt uns sogar ungemein, denn es putscht uns regelrecht auf, verleiht uns ungeahnte Energieschübe. Die Schattenseiten: Es führt zu allerlei körperlichen Problemen, unter anderem zu Muskelverspannungen, zu erhöhtem Blutdruck, verringerter Verdauungskraft und flacherer Atmung. Und ganz entscheidend: Es macht uns gleichzeitig auch abhängig, lässt uns allmählich zu Adrenalin-Junkies werden, die immer mehr davon brauchen. Ohne es zu wissen, ohne es selbst zu merken.

Kann der beständig hohe Stresshormonspiegel dann irgendwann einmal gar nicht mehr abgebaut werden, so kommt es früher oder später zu massiven Schäden. Unter anderem zählen Herzerkrankungen, Demenz, Leistungsabfall und ein geschwächtes Immunsystem zu den Folgen. Insbesondere aber werden die Nervenzellen im Hippocampus, das ist jener Teil des Gehirns, der für Lernfähigkeit und Gedächtnis zuständig ist, geschädigt. Man merkt es daran, dass es plötzlich schwerfällt, sich zu erinnern und zu konzentrieren.


Gegen das „Hauptleiden“ Stress

Es kommt also nicht von ungefähr, wenn sich der Zivilisationsstressgeplagte um Linderung seines Hauptleidens Stress bemüht, und dabei kann Yoga ausgesprochen hilfreich sein. Freilich haftet dem Ganzen heute längst eine Art von Lifestyle-Anmutung an, und manche beginnen mit Yoga nur deshalb, weil es die Freundin auch tut. Dennoch haben wohl die meisten Menschen Stressfolgen als Beweggründe: Unerklärliche Erschöpfung, schlechter Schlaf, innere Leere, psychische und körperliche Verspannungszustände sind hier vorrangig zu nennen, genauso wie etwa Rückenschmerzen oder Kreislaufprobleme. Und nicht selten steht auch schlicht der Wunsch nach körperlichem und seelischem Wohlbefinden im Vordergrund, will man gesünder und leistungsfähiger sein, sich einfach besser fühlen.

Wer das sucht, kann mit Yoga bestens bedient werden. Im Idealfall entspannt es Muskeln und Faszien, kräftigt den Bewegungsapparat, regt den Stoffwechsel an, beruhigt die Nerven und den Geist. Auch die Blutwerte können sich verbessern, zudem, so haben Untersuchungen gezeigt, wird das Immunsystem positiv beeinflusst. Yoga beflügelt das Gemüt, hebt die Stimmung. Es steigert unser Gefühl für den eigenen Körper, genauso aber auch jenes für andere Menschen. Yoga könnte also zu einem regelrechten Happy-und-Healthy-Wunder-Tool werden. Vorausgesetzt, man macht es richtig.

Mehr als vier Millionen Deutsche praktizieren inzwischen Yoga, 90 Prozent davon sind weiblich, Singles zwischen 25 und 49 Jahren sind am stärksten vertreten. Seltsam nur: Mehr als doppelt so viele Menschen, wie zurzeit Yoga praktizieren, haben inzwischen wieder damit aufgehört. Der durchschnittliche Zeitraum, in dem man sich Yoga widmet, beträgt nur rund dreieinhalb Jahre. Das bedeutet freilich, dass viele bereits nach wesentlich kürzerer Zeit wieder damit aufhören. Warum?


Körperliche Schäden

Knapp zehn Jahre sind vergangen, seitdem der US-Wissenschaftsjournalist William J. Broad sein Buch „The Science of Yoga“ veröffentlicht und darin aufgezeigt hat, wie gefährlich falsch praktiziertes Yoga sein kann. Das Spektrum reicht von gezerrten Muskeln, abgenützten Gelenken und entzündeten Nerven bis hin zu ausgeleierten Bändern und Bandscheibenvorfällen. Berichte in medizinischen Fachmagazinen beschreiben Fälle von Schäden an den das Gehirn mit Blut versorgenden Arterien, unter anderem Schwellungen und
Blutgerinnsel. Im Extremfall droht ein Schlaganfall, selbst bei jungen, gesunden Menschen. Vor allem gefährdet sind Wirbelsäule, Schulter-, Knie- und Hüftgelenke. Viele wissen gar nicht, dass sie sich mit den vermeintlich sanften Dehnungen Schaden zufügen können. Haben sich Schmerzen und Schäden erst einmal eingestellt, so ist es dann meistens zu spät.

Jahrelang hatte sich William J. Broad für sein Buch mit Yoga beschäftigt – und dabei sogar selbst einen Bandscheibenvorfall erlitten. Neben den angeführten Gefahren warnt er unter anderem vor möglichen Nervenschäden („Lotus-Neuropathie“) und vor einem Blutstau beim Sitzen im Lotussitz, der zu Venenthrombosen führen kann.

Broads erhobener Zeigefinger gilt aber auch einem Aspekt, den man in der Yogagemeinde nur ungern ans Tageslicht zerrt, der möglichen sexuellen Abhängigkeit vom Yogalehrer nämlich. Tatsächlich kann Yoga wie ein Aphrodisiakum wirken, deshalb wären eigentlich alle Lehrer dazu aufgerufen, sich professionell abzugrenzen, was aber offensichtlich nicht immer der Fall ist. Schon in den jahrtausendealten vedischen Schriften werden die Lehrer mit Nachdruck vor der Versuchung gewarnt, sich als Guru bewundern zu lassen.

„So viele Menschen praktizieren heutzutage Yoga, aber nicht richtig und oft zu exzessiv. Sogar manche Yogalehrer sind da auch keine Ausnahme“, weiß auch Petra Barta, die Gastgeberin des auf Yoga spezialisierten Wellnesshotels „Die Wasnerin“ im steirischen Bad Aussee. Barta spricht von nicht weniger als 60 Prozent, die aufgrund von falsch ausgeübtem Yoga unter Abnützungserscheinungen leiden oder gar kleine Verletzungen davongetragen haben: „Tatsächlich kann man sehr viel falsch machen. Treten dann noch ein übergroßes Ego, Perfektionszwang und schlecht ausgebildete Yogalehrer hinzu, kann man sich schnell seine Gesundheit ruinieren. Vor allem sehr sportliche Menschen sowie Anfänger neigen dazu, sich zu überfordern.“


Wichtig: gute Lehrer, gute Schüler

Niemand bestreitet ernsthaft den möglichen gesundheitsfördernden Nutzen von Yoga, der allerdings nur dann entsteht, wenn zwei wesentliche Grundvoraussetzungen berücksichtigt werden. Zum einen ist das ein gut ausgebildeter Lehrer, der auch die menschliche Anatomie und Physiologie studiert hat, zum anderen ein „guter“ Schüler. Gut heißt, dass er sich in seinem Ehrgeiz nicht selbst überschätzt und sich nicht mit anderen wie in einem Wettbewerb zu messen versucht, nicht in der Yogaklasse unbedingt zeigen will, dass er bei durchgestreckten Beinen mit den Handflächen spielend den Boden erreichen kann.

Wer sein bisheriges Leben vornehmlich auf Bürosesseln, im Auto und auf der Couch zu Hause vor dem TV verbracht hat, muss zunächst einmal das richtige Atmen lernen, bevor er sich an die Asanas heranwagen kann. An die Bewegungsübungen, an die Posen, die häufig nach Tieren benannt sind. Herabschauender Hund etwa, oder Fisch, Krähe und Kobra. Er muss einsehen, dass alles seine Zeit braucht und man nur dann Fortschritte macht, wenn man sich dabei leicht unterfordert fühlt. Denn man benötigt ein gewisses Körpergefühl, welches sich aber erst mit der Zeit entwickelt.



Yoga ist ja gar nicht Yoga!

Nach weit verbreiteter Auffassung geht es bei Yoga im Kern um die körperlichen Übungen, um die Asanas, von denen es unzählige verschiedene gibt. Was aber nur die wenigsten wissen: Yoga ist eine Lehre, die vor Tausenden von Jahren in Altindien entwickelt wurde, wobei die Asanas im Gegensatz zu heute nicht im Zentrum standen, sondern nur ein kleiner Teil des Ganzen waren. Tatsächlich wurden die meisten Asanas erst im vorigen Jahrhundert modifiziert, das heißt zumeist in den westlichen Industrieländern an neue Einsatzmöglichkeiten angepasst. Daraus entwickelten sich unzählige Yogastile, deren Vielzahl heute kaum mehr überschaubar ist – und häufig mit dem ursprünglichen Konzept, wie es in den alten Schriften überliefert ist, überhaupt nichts mehr zu tun hat. Oder gar das genaue Gegenteil davon ist! Man denke etwa an die brillante, zwischenzeitlich zu einem Big Business gewordene Marketingidee namens Power-Yoga. Wie verlockend klingt das in den Ohren des urbanen Menschen von heute! Mehr Power – ja, bitte, sofort! Bei genauerem Hinsehen zeigt sich dann freilich die absolute Unvereinbarkeit beider Worte, ähnlich wie wenn man Friedens-Krieg oder Zen-Lifestyle sagte. Gegensätze, die einander ausschließen!

Dass Yoga, wie es heute vielfach praktiziert wird, nichts mehr mit dem ursprünglichen Konzept aus dem alten Indien zu tun hat, darauf verweist einer, der es wissen muss: Meister Anand Semalty. Er wurde 1982 in Uttarakhand, Nordindien geboren und entstammt einer adeligen Brahmanenfamilie, deren Wurzeln bis in das sechzehnte Jahrhundert zurückreichen. Sein Studium der vedischen Schriften hat er mit dem Meistertitel der Sampurnanand Sanskrit-Universität in Varanasi abgeschlossen. Schon in jungen Jahren kam Anand im Kreis der Familie mit Yoga in Berührung, sein Vater führte ihn zudem in die Weisheiten vedischer Rituale und Tantra-Praktiken ein. Zusätzlich absolvierte er bei anerkannten Yogis die traditionelle Ausbildung in Yoga und Meditation.

„Der fälschlich als Yoga bezeichnete Sport ist zu einem großen Geschäft geworden“, sagt Anand Semalty. „Durch diese Verdinglichung geht die Essenz verloren. Die Leute präsentieren sich in sozialen Medien, machen also Yoga für ihr Publikum auf Instagram & Co anstatt für sich selbst. Damit heischen sie nach Bewunderung, damit füttern sie ihr Ego.“ Andere wiederum, so Anand weiter, machten drei Stunden Yoga und kämen dennoch nicht zu innerlicher Ruhe: „Weil sie es wie einen Kampfsport betreiben, als Wettbewerb mit sich selbst oder mit anderen.“ Auch das geschähe nur für das Ego. „Dabei ist es gerade das Ziel von Yoga, das Ego loszuwerden. Der Blick nach innen zählt. Wo Ehrgeiz und Wettbewerb auftreten, verschwindet das Wesen des Yoga.“

Die wörtliche Übersetzung von Yoga bedeutet „die Einheit von Körper, Seele und Geist“. Alles, was uns im Kopf herumspukt, die Ängste, Sorgen, Vorstellungen und Wünsche zum Stillstand zu bringen. Richtiges Yoga umfasst acht Stufen, von denen die Asanas nur ein kleiner Teil sind, keinesfalls geht es um körperliche Ertüchtigung, schon gar nicht um Ausdauersport. Auch bei den Asanas selbst nicht, heißt doch die Übersetzung des Sanskritwortes nichts anderes als „Sitze bequem in deinem Körper“.


Das Ethos als Fundament

Die ersten zwei Stufen umfassen die sittliche Einstellung, den Charakter gleichsam, sie sind das Fundament von Yoga, das man sich durch ständiges Üben in Tausenden von kleinen Schritten erarbeiten muss. Es sind zum einen die Yamas – Regeln für Denken und Handeln im Umgang mit anderen und der Umwelt – und zum anderen die Niyamas, Regeln für das Verhalten sich selbst gegenüber, also Übungen zur persönlichen Disziplin. Sowohl die Yamas als auch die Niyamas sind lebenslang durchzuführende Übungen für das Wachstum an ständig höheren Herausforderungen des Lebens.

Die Yamas und ihre fünf Tugenden:

1. Gewaltlosigkeit („Ahimsa“): Man sollte sich stets so verhalten, wie man es von anderen erwartet: niemanden verletzen, alle leben lassen. Das bedeutet konsequenterweise, dass man diesen Grundsatz auch beim Essen beherzigt, denn auch Tiere wollen leben, spüren den Schmerz. In der Aufzucht und beim Schlachten produzieren sie zudem Stresshormone, die wir mit ihrem Fleisch aufnehmen. Anand Semalty: „Ihre Angst, ihren Stress und ihre Hilflosigkeit essen wir als negative Energien in uns hinein. Warum leiden so viele Leute an Krankheiten, wenn wir uns doch angeblich so gut ernähren wie noch nie zuvor in der Zivilisationsgeschichte? Das heißt, in unserem System ist etwas grundlegend falsch. Das Prinzip der Gewaltlosigkeit muss sich durch alle Lebensbereiche ziehen, etwa auch da, wo es um unsere Mitarbeiter und um die Produkte, die wir herstellen, geht. Wir haben die Pflicht, zu wissen, woher das Geld kommt, das wir verdienen. Die Ausrede, man hätte es nicht gewusst, zählt vor dem Naturgesetz von Ursache und Wirkung nicht.“

2. Wahrhaftigkeit („Satya“): Man soll ehrlich sein, die Wahrheit sehen, hören und sprechen können. Das muss man freilich erst üben. „Aber ohne Angst vor den Folgen“, weiß Anand Semalty.

3. Nicht-Stehlen („Asteya“): Gedanken, die um das kreisen, was anderen gehört – etwa: „Wie mache ich es, um es zu bekommen?“ –, sind tabu. Dazu gehört beispielsweise auch, geistiges Eigentum von anderen nicht als das eigene auszugeben oder sich nur eine kleine Portion von einer Speise zu nehmen, wenn es nicht für alle reichen würde.

4. Bescheidenheit („Aparigraha“): Die Empfehlung, sich mit dem zu bescheiden, was man hat, seine geistigen wie körperlichen Energien nicht darauf zu verschwenden, möglichst viel Besitz anzuhäufen und darüber das Leben zu vergessen. Das Horten von Besitz bindet emotionale Kräfte, da man sich darüber sorgt, ihn wieder zu verlieren. Auch der sorgsame Umgang mit den Ressourcen auf der Erde und unseren Nahrungsmitteln gehört hier dazu. Man denke etwa an den Hunger in vielen Teilen der Welt vor dem traurigen Hintergrund, dass weltweit alljährlich 2,5 Milliarden Tonnen oder 40 Prozent aller Lebensmittel weggeschmissen werden. Anand Semalty: „Es ist letztlich auch Deine Energie, die da im Müll landet.“

5. Sexuelle Mäßigung („Brahmacharya“): Hier geht es um die Kontrolle der Leidenschaft, um das Vermeiden von sexuellem Fehlverhalten. Dazu gehören etwa anzügliche Bemerkungen, mangelndes Mitgefühl, Gewalt oder das Ausnutzen seiner sozialen Stellung für sexuelle Abenteuer. Aber auch das Üben von Treue, in den alten Schriften heißt es, dass es große Lebenskraft erzeugt. Genau das Gegenteil tritt übrigens ein, wenn man übersteigerte sexuelle Wünsche verfolgt: Die Lebenskraft wird geschwächt. In einem fortgeschrittenen Stadium bezeichnet Brahmacharya die bewusste Enthaltsamkeit in Verbindung mit spirituellen Praktiken.

Auch die Niyamas, die persönlichen Verhaltensregeln, enthalten fünf Tugenden:

1. Reinheit („Saucha“): Damit ist nicht nur die körperliche Hygiene gemeint, sondern speziell sechs Reinigungsübungen, sie betreffen Augen, Nase, Lungen, Magen, Dünndarm und Enddarm. Das Prinzip ist übrigens der Panchakarma-Reinigung aus dem Ayurveda recht ähnlich. Ziel ist die Beseitigung von energetischen Blockaden, damit die Lebensenergie ungehindert fließen kann, zudem das Denken von Unreinheit zu befreien. Harsche, derbe und schmutzige Worte sind demnach zu vermeiden, ebenso wie Grübeln über Vergangenes. Ein reiner Körper, reine Ernährung, reine Kleidung, reine Umgebung, reine Sprache und anderes führen übrigens dazu, dass man sich vom äußeren Erscheinungsbild eines Menschen sowie generell von Äußerlichkeiten immer weniger beeindrucken lässt. Zu den Reinigungsübungen zählen auch die Massage der Verdauungsorgane durch kreisförmige Bewegungen der Bauchmuskulatur („Nauli“), das sogenannte Feueratmen („Kapalabhati“) – eine Reinigungstechnik durch forciertes Ausatmen – sowie die Augenkonzentration auf eine Kerzenflamme („Tratka“).

2. Zufriedenheit („Santosha“): Dabei handelt es sich um Übungen zur Dankbarkeit, sie besänftigen das Ego, aus ihnen entsteht Zufriedenheit und letztlich tiefes Glück. Social-Media- taugliche Urlaubsreisen und andere Äußerlichkeiten sind damit freilich nicht gemeint, vielmehr geht es um die innere Zufriedenheit durch unsere Einstellung zum Leben und zur Arbeit. Um das Durchschauen der „Höher, schneller, weiter“-Illusion, die uns dieses Zeitalter des Narzissmus vorgaukelt, um Dankbarkeit für alles, das bereits da ist – eine gemütliche Wohnung, ein unversehrter Körper oder genügend Geld für gesundes Essen.

3. Selbstdisziplin („Tapas“): Damit gemeint sind systematische Übungen, die einen aus der Versklavung seiner Wünsche befreien und lehren, was Körper und Psyche stark macht. Etwa das Fasten, der temporäre Verzicht auf Industriezucker oder den Morgenkaffee, kalt duschen, im Winter die Raumtemperatur um einige gute Grad absenken. Besonders auch das bewusste Ausführen von Tätigkeiten, die man nicht mag, gehört dazu, und zwar so lange, bis man es mag! Es verhilft zu der Einsicht, dass das persönliche Glück überhaupt nicht davon abhängt, dieses oder jenes nicht zu tun – und damit zu geistiger Stärke.

4. Selbststudium („Swadhyaya“): Die Selbsterforschung steht hier im Mittelpunkt, nämlich Beobachtung, Reflexion und kritisches Hinterfragen des eigenen Denkens und Handelns. Es gibt unter vielem anderen Antworten auf die Fragen, warum und wie man so oder anders handelt und welchen Reiz-Reaktions-Ketten man immer wieder zum Opfer fällt. Auch der Satz „Erkenne dich selbst“ gehört dazu. So, wie er in der antiken Philosophie formuliert wurde. Als Aufforderung an den Menschen, sich nicht in Selbstüberhebung und bloßen Äußerlichkeiten zu verlieren, sondern die Grundhaltung seines Tuns und Lassens unter die Lupe zu nehmen. Anand Semalty: „Erkenne Dich selbst, denn nicht die Anpassung nach außen zählt, sondern nur die Haltung, die Dein Handeln leitet. Nicht die sichtbare Tat ist entscheidend, sondern die Absicht dahinter, Gutes oder Böses zu tun. Erkenne Dich selbst. Wer bist du wirklich? Wohin gehst du? Was ist deine Mission?“

5. Selbsthingabe („Ishvara Pranidhana“): Sie ist Übung der Hingabe an das Göttliche, wobei es sich nicht um einen Gott im religiösen Sinn handelt, sondern darum, sich dem Universum – oder einfach einer höheren Macht, die einen durch das Leben führt – anzuvertrauen. Annehmen, was da kommt, selbst schicksalshafte Tiefen, die wir weder verstehen noch ändern können. Mit Hingabe und dem Vertrauen, dass alles irgendwie einen Sinn hat, auch wenn er sich zumeist nicht so bald erschließt.

Hingabe umfasst aber auch die völlige Konzentration auf das, was man gerade tut. Wenn man beispielsweise mit jemandem spricht, sollte man sein Herz voll und ganz auf sein Gegenüber ausrichten. Genauso wie man etwa bei der Gartenarbeit alle Dankbarkeit und Ehrerbietung an die Natur richten sollte. Übt man das, so stellen sich allmählich Gleichmut, Klarheit und innerer Friede ein. Irgendwann hört man dann von selbst auf, persönliche Ziele zu verfolgen. Man tut einfach, was nötig ist, alles Gute wird quasi wie von selbst an einen herangetragen. Je achtsamer man dabei wird, desto klarer kann man erkennen, wie sich alles ineinander fügt. Anand Semalty: „Alles, was Du hast, hast Du vom Universum. Akzeptiere das Gegebene, so wie es ist, egal, was kommt. Vertraue darauf, dass alles ein sinnhafter Teil des Universums ist.“


Körperübungen und Atmung

Die nächsten zwei Stufen auf dem „Yoga-Pfad“ sind vornehmlich körperlicher Natur. Sie bestehen aus Körperübungen („Asanas“) und Atemübungen („Pranayama“). Asanas können entweder dynamisch – also mit langsamer Bewegung verbunden – sein oder statisch, wobei man eine gewisse Körperhaltung für längere Zeit einnimmt. Asanas wurden vielfach von den natürlichen Bewegungen von Tieren abgeleitet, sie tragen dann Namen wie etwa Löwe, Kuh und Hase. Asanas wirken auf Atmung, Nerven, Lymphe, Bewegungsapparat, Herz-Kreislauf-System ebenso wie auf Geist, Psyche und die Energiezentren („Chakras“). Richtig angewandt führen sie zu Gelassenheit und geistiger Beruhigung, sie lassen dann Gefühle von Frieden und innerer Freiheit entstehen. Anders als beim Sport beobachtet man dabei körperliche und geistige Vorgänge – und fühlt sich danach nicht müde, sondern energetisiert und erfrischt!

Man beginnt mit vorbereitenden und einfachen Übungen und geht dann allmählich zu immer schwierigeren über, wobei das Gefühl für den eigenen Körper erst langsam entsteht und danach sozusagen ständig mitwächst. Eine ganz entscheidende Rolle spielt dabei die Atmung: Das bewusste Ein- und Ausatmen und die Umstellung von einer zu flachen zu einer langsameren Tiefenatmung. Weiters ganz wichtig sind die Lenkung der Aufmerksamkeit nach innen und eine Entspannungsphase vor der nächsten Übung sowie das Nachspüren am Schluss. Unzureichend ausgebildete Yogalehrer, das wissen auch die Tester vom RELAX Guide aus zigfachen Beobachtungen, erkennt man hier übrigens sofort, da sie diese elementaren Erfordernisse zu wenig oder gar nicht beachten, hingegen vehement auf perfekt ausgerichtete Körperhaltung drängen. Optimal ist es, wenn man diese Übungen täglich vor dem Frühstück macht, 15 Minuten genügen für den Anfang, Geübtere können bis zu eineinhalb Stunden praktizieren, jedoch nicht länger – der Alltag darf nicht vernachlässigt werden, wie es in den alten Schriften heißt.

Bei Pranayama, den Atemübungen, geht es um die willentliche Lenkung und Vertiefung der Atmung – des Pranas, der universellen Lebensenergie –, und zwar durch beständiges Üben mit Konzentration auf die Atemvorgänge. Es gibt mehr als 50 verschiedene Pranayama-Übungen. Bei ihnen werden jeweils unterschiedliche Muskelgruppen aktiviert, beispielsweise das Zwerchfell oder der Beckenboden. Ausatmung, Einatmung und Atempausen werden dabei bewusst verändert. Dadurch erhöht sich zunächst einmal die eigene Aufmerksamkeit für die Atmung, dabei werden unbewusste, alltägliche Atemmuster erkennbar. Warum das bedeutsam ist? Weil die unbewussten Atemmuster mit den unbewussten Mustern der Psyche verknüpft sind. Mit einer verbesserten Wahrnehmung der Atmung kann diese dann allmählich verändert werden, womit sich Schritt für Schritt auch problematisch eingefahrene psychische Muster auflösen lassen. Medizinische Studien bescheinigen der Pranayama-Atmung zahlreiche positive Effekte, darunter etwa niedrigeren Blutdruck, Verbesserung des vegetativen Nervensystems sowie positive Effekte bei Stress, Depressionen, Demenz und Angststörungen.


Kontrolle von Sinnen und Verstand

Die Stufen mit den Nummern fünf und sechs auf dem achtstufigen Pfad des Yoga werden auf der mentalen Ebene praktiziert. Während man auf der vierten Stufe durch Beobachtung und Beeinflussung der Atemtätigkeit den Geist sammelt, folgt auf der fünften Stufe nach und nach die Kontrolle der Sinne („Pratyahara“). Dieses Pratyahara ist wie alle anderen Begriffe aus dem Yoga ein Sanskrit-Wort. Es bedeutet „Rückzug der Kämpfer aus der Schlacht“ und meint die fortwährende Übung, den verschiedenen Sinneserfahrungen immer weniger Bedeutung zuzumessen, sie immer mehr als neutral wahrzunehmen.

Tatsächlich gibt es ja im Alltag eine Art von Kampfgetümmel in unserem Kopf, stürmen doch tagtäglich Tausende von Sinneseindrücken auf uns ein, die uns in der Folge mit endlosen Forderungen geradezu beherrschen. Anand Semalty: „Das trübt den Geist. Und führt sehr oft dazu, dass Du Dich dann in der Rolle des eifrigen Erfüllers der von Deinen Sinnen getriggerten Wünsche verlierst. Fatal, denn darüber vergisst Du, dass wahre Freude eigentlich aus Deinem Inneren kommt.“

Mit dem sukzessiven Üben des Schließens der „Sinnestüren nimmt man zwar auch weiterhin noch wahr, hört beispielsweise sehr wohl ein Geräusch auf der Straße. Man geht aber nicht mehr darauf ein, sondern versucht, die Konzentration im Inneren zu halten. Damit verringert sich die Ablenkung von wesentlichen Aufgaben und stellen sich Ruhe und Entspannung ein. Außerdem schult das Pratyahara die Wahrnehmung von Feinheiten, die den Sinnen normalerweise verborgen bleiben.

Pratyahara sind typische Übungen, die man in den Alltag einfließen lässt. Voraussetzung für das Praktizieren ist freilich, dass man mit den vorangegangenen Stufen bereits vertraut ist. Gelingt es, sich nach innen auszurichten, erreicht man nach und nach, dass der Geist von den Sinneseindrücken unabhängig wird. Das Zurückziehen der Sinne leitet über zur sechsten Stufe, zur Kontrolle des Geistes („Dharana“) durch Konzentration.

Dharana, den Zustand innerer Klarheit und Fokussierung, übt man durch das willentliche Ausrichten des Geistes auf eine einzige Sache, die man zum Objekt der Konzentration werden lässt. Kinder können das übrigens, wenn sie in tiefster Versenkung spielen und darüber die Welt ringsum vergessen. Sie riechen nicht den Duft der Lilien neben ihnen, sie spüren nicht den kalten Wind, sie hören nicht, wenn man sie ruft. Ihr Geist ist auf eine einzige Sache ausgerichtet.

Als Erwachsener muss man sich diese Fähigkeit erst mühsam wieder aneignen. Während des Meditierens kann man sich beispielsweise auf ein Bild konzentrieren oder beobachtet eine Zeit lang die Flamme einer Kerze. Auch Visualisieren gehört zu den Übungen. Es ist dies die Fähigkeit, ein beliebiges klares Bild vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen. All das klingt recht einfach, ist aber außerordentlich schwierig und nur allmählich zu erreichen. Durch Willenskraft und ständiges Üben. Aber ohne Ehrgeiz und inneren Kampf, sondern entspannt und zielgerichtet. Am Anfang sind bereits wenige Minuten, gelinde gesagt, eine echte Herausforderung. Denn der Geist ist abwesend, träg oder zerstreut, und das Ziel, den Geist unter Kontrolle, also frei von Gedanken zu halten, erscheint schier unerreichbar.

Vorbereitend üben lässt sich die Konzentration auch im Alltag, etwa bei der Unterhaltung mit jemandem, wobei man sich vollständig auf diesen Menschen konzentriert. Nur zuhören und sprechen – kein Gedanke daran, dass man noch etwas anderes zu tun hätte, kein Gedanke daran, was danach geschieht, kein Blick auf das Handy. Je öfter man übt, der Macht von Ablenkung und Reizen zu widerstehen, sich voll und ganz auf eine Tätigkeit, auf eine Sache zu konzentrieren und in ihr zu versinken, umso leichter fällt es einem.

Hilfreich ist es, wenn man sich täglich ein, zwei Stunden lang in Stille übt, also auch Radio und TV abschaltet, Wünsche und Begierden eindämmt und Pranayama übt. Meister Anand Semalty erinnert im Zusammenhang mit Dharana, dass man damit nur beginnen sollte, wenn man mit den fünf unteren Ebenen einigermaßen vertraut ist, da man sonst riskiert, innere Probleme nur zu verschärfen oder gar auf bislang schlummernde seelische Minenfelder zu treten. Anand Semalty: „Wenn man es hingegen richtig angeht, wird die Intuition geschärft und der Geist fokussiert und ruhig. Was Dir bislang als undurchschaubar erschienen ist, wird durchsichtig. Du erhältst Antworten und Lösungen aus Deinem Inneren. Dein Innenleben wird reicher, als Du es Dir jemals hättest vorstellen können.“


Meditation, Überbewusstsein

Die siebente Stufe auf dem Pfad heißt Dhyana, Meditation. Der Begriff kommt ursprünglich aus den vedischen Schriften, er wurde später vom Buddhismus übernommen („Jhana“), erreichte danach China („Chan“), Japan („Zen“), Korea („Seon“) und schließlich auch Vietnam („Thien“). Während die Fixierung auf eine einzige Sache das Ziel von Dharana, der sechsten Stufe, ist, geht es bei Dhyana um das beständige Fließen einer einzigen Vorstellung. Oder anders gesagt, um die Fähigkeit, zu erlernen, den Geist in Verbindung mit etwas, was wir begreifen wollen, verweilen zu lassen.

Die Meditation dient dazu, alles Wissen, alle Gefühle, Denkmuster und Erwartungshaltungen hinter sich zu lassen. So wird man quasi zu einem neutralen Beobachter von sich selbst. Das Ego und seine Gedanken verschwinden, ein Zustand der Zeitlosigkeit und der liebevollen Verbundenheit mit dem Kosmos breitet sich aus, vorausgesetzt, dass man seine geistige Energie über lange Zeit fokussieren kann. Der Dhyana-Zustand ist intensiv und einem Flow-Erlebnis sehr ähnlich. Auch im Alltag könnte man Dhyana praktizieren: Dann, wenn man einfach ohne Ego, ohne Kalkül und ohne Erwartungen ganz mit einer Tätigkeit verschmilzt und das mit Liebe und Freude macht.

Dhyana ist die letzte Stufe vor einem Bewusstseinszustand, der Samadhi heißt. Gemäß den alten Schriften führt er zu unterschiedlichen Formen einer mit Erkenntnis verbundenen Versenkung. Von Samadhi gibt es, je nach Überlieferung, bis zu 14 Stufen, der Einfachheit halber seien sie hier auf zwei ganz wesentliche reduziert. In der ersten gibt es noch die Subjekt-Objekt-Trennung zwischen dem betrachtenden Geist und der Seele (höheres Selbst). In der zweiten Stufe hingegen soll sich das geistige Bewusstsein derart mit der kosmischen Seele (Überseele) vereinen, dass sich die Unterscheidung zwischen Erkennendem, Erkenntnis und Erkanntem auflöst. Wenn sich also die Seele selbst erkennt, wird sie eins mit der kosmischen Seele. Das wird als vollkommenes Glück, als Verschmelzung mit dem Kosmos erfahren. Ein Zustand des Überbewusstseins, der Erleuchtung.

Ein Zustand, der mit unseren Begriffen bestenfalls höchst unzureichend zu beschreiben ist. „Aus Büchern kann man nicht lernen, wie man ihn erreicht“, sagt Meister Anand Semalty. „Denn es braucht die fortschreitenden Erfahrungen jedes einzelnen Schrittes auf dem Weg dorthin. Es sind Erfahrungen, bei denen die Sinne, das Ego und der Verstand ausgeschaltet sind. Schritt für Schritt musst Du schwierige Hindernisse überwinden: die Macht von Ablenkung, geistiger Trägheit, Illusion und vielen Begierden. Das braucht Mut, Ausdauer und innere Stärke über viele Jahre hinweg. Und nur wenige können es erreichen.“


Eine andere Lebensrealität

Fassen wir zusammen: Yoga im eigentlichen Sinn hat weder mit Fitnessübungen noch mit Ausdauersport irgendetwas zu tun. Es bedeutet hingegen, durch konsequentes Üben die Herrschaft über seine Gedanken zu erlangen, seinen Geist, sein Ego, zu disziplinieren. Es ist kein theoretisches Konzept, sondern eine fortwährende Praxis, die nahezu zur Gänze aus Übungen besteht und nur durch diese erfahrbar ist. Mit Atemtechniken, Körperübungen, Selbstbeobachtung und Meditation gelangt man mit seinem subjektiven Alltagsbewusstsein allmählich in sein höheres (wahres) Selbst, in seine Seele, bis sich diese irgendwann einmal mit der kosmischen Seele vereinen kann. Yoga ist nicht an eine Religion gebunden, setzt aber den Glauben an eine höhere Ordnung voraus. Genauso wie das Akzeptieren eines ethischen Fundaments, das die ersten zwei der insgesamt acht Stufen des Yogapfades umfasst.

Aber warum soll man seine Gedanken überhaupt kontrollieren und disziplinieren? Andand Semalty: „Weil sie uns vorgaukeln, dass wir individuelle Subjekte sind, die getrennt von der Schöpfung existieren. Daraus entstehen ständig neue Wünsche, Gier und Begehrlichkeiten, deren Befriedigung zwar unser Ego vergrößert, uns allerdings nicht glücklicher macht. Es ist doch nicht so, dass wir wirklich glücklicher werden, wenn wir materiellen Besitz anhäufen oder durch Bewunderung von außen unser Ego aufblasen. Dadurch werden wir nur noch abhängiger und unfreier. Auf gesellschaftlicher Ebene betrachtet bedeutet das etwas, was wir heute so genau beobachten können: Menschen ohne Disziplin verursachen Katastrophen.“

Doch nur, wenn man innerlich wirklich frei ist, so Anand Semalty weiter, könne man wachsen und glücklich werden. Freilich steht das für die meisten Menschen in krassem Gegensatz zu ihrem bisherigen Selbstverständnis, in krassem Gegensatz zu dem, was uns das heutige Gesellschaftssystem vermittels Medien und Werbung ständig einzubläuen versucht: Erfülle dir doch deine Wünsche! Kauf dir dies und kauf dir das, mehre deinen Besitz – dann wirst du glücklich sein!


Gegenteilige Wirkung

„Yoga wurde entwickelt, um uns aus der Versklavung durch unsere Wünsche zu befreien“, sagt Anand Semalty, „als Mittel für eine gesunde und glückliche Gesellschaft.“ Im Übrigen sei es doch so, dass man für komplizierte Geräte eine Betriebsanleitung benötige. Und obwohl der Mensch das Komplizierteste sei, das existiert, gibt es keine Betriebsanleitung für ihn. „Bis auf Yoga. Wer den Yogaweg sucht, wird fähig, diese Betriebsanleitung zu lesen und zu verstehen.“

Der Yogameister warnt eindringlich vor den Gefahren, die durch falsches Praktizieren unvermeidlich entstehen: „Übst Du, ohne zu versuchen, nach dem ethischen Fundament zu leben, dann wird sich früher oder später alles gegen Dich wenden. Denn es wirkt fatal auf Ego, Verstand, Seele und Körper. Deine Wünsche werden noch stärker, Deine Verwirrung wächst wie Deine Zweifel, Krankheiten entstehen. Denn beim Üben produzierst Du mächtige Energien im Körper, mit denen Du aber nichts anfangen kannst. Daher werden sie Dich glauben machen, Du seiest etwas Besseres. Du wirst egoistisch, verblendet, siehst auf andere herab. Das spaltet übrigens auch unsere Gesellschaft noch weiter.“

Ein falsches Verständnis führe eben unweigerlich zu einem falschen Ergebnis. „Das bringt Disharmonien in Deine Beziehung zum Partner, in Dein ganzes Leben ebenso wie in die Welt. Als Yogalehrer sehe ich, wie unglücklich viele geworden sind, nachdem sie zehn, zwanzig Jahre etwas praktiziert haben, das nur auf Körperübungen bezogen war.“ Die positiven Effekte von Yoga können sich also geradezu ins Gegenteil verkehren, wenn man das eigentliche Ziel gar nicht verfolgt – oder irgendwann aus den Augen verliert! Anand Semalty: „Das Ziel ist es, sein Ego loszuwerden. Aber das wollen manche Menschen gar nicht hören.“


Meister Anand Semalty wurde 1982 in Uttarakhand, Nordindien geboren und entstammt einer adeligen Brahmanenfamilie, deren Wurzeln bis in das sechzehnte Jahrhundert zurückreichen. Seine Vorfahren standen als Ratgeber und Astrologen den Königen von Tehri (Himalaya) zur Seite. Sein Studium der vedischen Schriften hat er mit dem Meistertitel der Sampurnanand Sanskrit-Universität in Varanasi abgeschlossen. Von seinem Großvater lernte er tieferes Wissen über Astrologie und Handlesen. Sein Vater führte ihn in die Weisheiten vedischer Rituale und Tantra-Praktiken ein. Zudem erhielt er von anerkannten Yogis die traditionelle Ausbildung in Yoga und Meditation. Im „Vedic Valley“, einem reizenden Ayurveda-Resort in Goa, erstellt Meister Anand ebenso wie in seinem kleinen Yogazentrum im steirischen Bad Blumau vedische Horoskope und unterrichtet Yoga sowie Meditationstechniken. Anand Semalty ist verheiratet und Vater von drei Kindern.



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