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Der Bademantel als Arbeitskleidung

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Österreich, 16. Oktober 2018 | Tourismuswirtschaft/Hotellerie/Neuerscheinung

Der Bademantel als Arbeitskleidung

Interview mit Christian Werner, dem Macher vom RELAX Guide

Der kritische Hotelführer RELAX Guide wird 20 Jahre. „Wellness-Papst“ Christian Werner über Objektivität, harte Tests und Bestechungsversuche. Ein Résumé.

Wie kommt man auf die Idee, einen kritischen Wellnesshotelführer zu machen?

Erstens war ich immer schon sehr wellnessaffin, bereits als Student gab ich mein Taschengeld für Massagen aus, während meine Freunde zum Tennis gingen. Dann war ich Journalist, und als solcher glühender Anhänger der Vorort-Recherche, die aber von den Medien zunehmend nicht mehr bezahlt wurde, ich musste mich also nach etwas Neuem umsehen. Und einen kritischen Führer gab es nicht, es gibt übrigens bis heute keinen. Also fasste ich im März 1999 den Entschluss: Der Bademantel soll deine zukünftige Arbeitskleidung werden.

Wie hat die Hotellerie auf den ersten RELAX Guide reagiert?

Viele waren dankbar, dass wir ihnen Publizität verschaffen, ohne dass es sie etwas kostet. Aber generell war es für die meisten schon sehr ungewöhnlich, dass da einer unverblümt schreibt, wie es ist. Das kannte man im Tourismus bis dato nicht, weil Medienberichte immer mit sogenannten Presseeinladungen verbunden sind, und da darf man als Journalist nichts Kritisches schreiben. Außerdem kommt ja etwas anderes heraus, wenn man als VIP behandelt wird und das Hotel sozusagen aus der Präsidentensuite heraus beurteilen darf.

Gab es empörte Hoteliers?

Es gab auch Empörung, mir ist da etwa noch eine Hotelière vom Arlberg in Erinnerung, die ins Telefon hineingebrüllt hat, warum wir schreiben, dass da so viele Motorradfahrer sind. Die waren freilich dort – wegen der tollen Kurven, aber nicht wegen dem Hotel. Wir bekamen auch Hausverbote – die haben meine Mitarbeiter rahmen lassen und im Büro aufgehängt – köstlich! Und es gab vor allem in Tirol Hotels, die uns partout nicht mochten. Die waren zwar recht geschäftstüchtig, hatten jedoch für ein feinsinnig gestaltetes Ambiente wenig übrig. Und mit unseren Eindrücken über diese Kitschburgen haben wir uns nie ein Blatt vor den Mund genommen. Da entstanden so etwas wie einseitige Feindschaften, die bis heute anhalten.

Wie sind Sie mit der Empörung umgegangen?

Also ich habe das lange Jahre nicht verstanden, wenn es hieß: „Wie können Sie schreiben, dass wir direkt an der Bahnlinie liegen? Das ist doch Geschäftsstörung!“ oder „Wie können Sie schreiben, das wir ein Nichtraucherhotel sind? Da bleiben doch die Raucher weg.“ Aber unsere Aussagen waren immer zutreffend. Es hat jedenfalls ganz schön gedauert, bis ich mich mit diesen empörten Reaktionen nicht mehr beschäftigt habe. Dass Gastronomen aber mit einem Michelin-Stern glücklich sind, Hoteliers hingegen gekränkt reagieren, wenn sie nicht vier Relax-Guide-Lilien erhalten, habe ich bis heute nicht restlos verstanden.

Sie wussten gar nicht, wie die Branche tickt?

Ich musste viel lernen, vor allem über das Selbstverständnis so mancher Hoteliers. Heute weiß ich besser, wie die Branche tickt. Dennoch bleiben ewige Rätsel. Etwa: Warum wirbt man in Medien, die sich nicht an die eigene Zielgruppe richten? Warum verwechselt man so seuchenhaft die Begriffe Resort und Hotel? Warum wollen viele gleichzeitig alle möglichen Zielgruppen bedienen? Bei vollem Betrieb umbauen – wie kann man nur?

Sie haben es mit Ihren Recherchen bis in die TV-Hauptnachrichten geschafft. Wie waren da die Reaktionen?

Wir hatten immer wieder Themen, quasi Nebenprodukte aus den Hoteltests, darunter etwa Bioschwindel, das werbliche Schummeln mit Poolgrößen und Spa-Flächen oder die eklatanten Mängel bei der Poolwasserhygiene. Da haben seriöse Hoteliers und Publikum geklatscht, die Wirtschaftskammer dagegen hat mit der Inbrunst der Dilettanten gewettert. Das war unfreiwillig komisch sowie unterhaltsam fürs Publikum, den Kämmerern selbst dürften ihre Peinlichkeiten aber nicht aufgefallen sein, es hat ja wiederholt stattgefunden.

Hat man versucht, Sie zu bestechen?

Selten, aber nur in den allerersten Jahren. Der schönste Versuch kam vom Direktor eines Thermenhotels. Der schickte seine Marketingfrau und ließ verlauten: Die Bewertung müsse sich verbessern, ich dürfe es mir aussuchen. Entweder sie klagen uns oder sie machen uns in der Presse unmöglich. Oder sie zahlen uns etwas. Sage ich, man kann uns nicht klagen, weil wir uns nichts aus den Fingern saugen. In der Presse anschwärzen funktioniert auch nicht, weil die Kollegen unsere seriöse Arbeitsweise kennen. Aber das mit dem Zahlen, da sind wir gerne dabei. Der Herr Direktor möge aber bedenken, dass wir ein junges, hochmotiviertes Team sind. Erst in ein, zwei Jahrzehnten sind wir korrupt und werden dann das Hotel mit mehr Lilien auszeichnen. Im Gegenzug wollen wir dann aber einen solchen Geldbetrag, dass das gesamte Team damit den Rest des Lebens sorgenfrei in der Karibik verbringen kann.

Was war Ihr lustigstes Erlebnis in einem Wellnesshotel?

Ich war nackt. Und zwar im Dachgeschoß in der Sauna eines brandneuen Hotels, ich glaube, es war am Tegernsee. Ich ging auf die Terrasse, doch die Türe ließ sich von außen nicht mehr öffnen. Splitternackt kletterte ich über das Dach, bis ich endlich eine Luke fand, in die ich hineinschlüpfte. Ich landete etwas unsanft auf einem Berg von schmutziger Bettwäsche, vor einer Schar kreischender Mädchen in der Wäscherei!

Wie muss man sich einen Hoteltest vorstellen?

Wir buchen uns undercover ein, also anonym und auf unsere Kosten. Dann verbringen wir den ganzen Tag damit, das Hotel in all seinen Facetten kennenzulernen und Daten zu erheben. Wie groß ist das Spa und vieles, vieles andere. Wenn ich die lange Checkliste auf wenige Worte zusammenfassen müsste, würde ich sagen, wir beantworten uns die Fragen „Wie sieht es aus, wie schmeckt’s und wie fühlt es sich an?“.

Ist Hoteltesten schwer, was muss man als Tester können?

Man muss Hotels lieben. Dann muss man eine außerordentliche Beobachtungsgabe haben sowie das Gesehene natürlich auch entsprechend dokumentieren und ausdrücken können. Und man muss längere Zeit aus dem Koffer leben können, die meisten, die sich bei uns bewerben, schaffen das gar nicht.

Was braucht man noch zum Testen?

Eine Perspektive, also Erfahrungshintergrund plus klare Kriterien. Dazu den Willen, die Fakten korrekt zu ermitteln, sowie die stetige Aufmerksamkeit darauf, dass man sich nicht von verwirrenden Stimmungen und persönlichen Sympathien zu falschen Schlüssen verleiten lässt. Besonders Letzteres ist eine Herausforderung.

Wie objektiv sind Ihre Tester?

Einen Motor kann man exakt überprüfen, man erhält am nächsten Tag das gleiche Ergebnis. Aber ein Hotel ist keine Maschine, sondern ein lebendiges System, das sich jeden Tag etwas anders verhält. Man braucht ja nur etwa an eine Grippewelle denken, wo die halbe Belegschaft ausfällt. Demnach muss man als Tester sauber unterscheiden zwischen Ausrutschern und Systemfehlern. Auch eine gewisse Demut gehört dazu: Das Wissen, dass man als Beobachter auch immer Teil des zu beobachtenden Bildes ist. Wie man sich also selbst im Hotel verhält, das hat natürlich auch einen Einfluss auf das Wohlbefinden, auf den ganzen Urlaub.

Sind Ihre Tester streng?

Mehr als 80 Prozent der Wellnessanbieter bestehen den Test nicht und erhalten keine Lilien, also kein Gütesiegel von uns. Ja, unsere Tests sind mit Sicherheit die härtesten der Branche, aber wir bewerten alle Häuser nach den gleichen Kriterien. Freilich könnte man die Latte auch etwas tiefer legen, aber wir wollen trittsichere Empfehlungen abgeben. Qualität, auf die sich unsere Leser absolut verlassen können.

Sie sagen Gütesiegel, an denen wird doch immer wieder Kritik geübt …

Zu Recht! Die meisten Menschen glauben, Gütesiegel werden von irgendeiner selbstlosen höheren Instanz vergeben, in Wirklichkeit sind sie lupenreine Geschäftsmodelle, man muss sie also kaufen! Je mehr die Firma verkauft, desto mehr Profit macht sie. Nur beim RELAX Guide ist das anders, unsere Lilien sind kostenlos, und wer sie kaufen wollte, beißt sich daran die Zähne aus. Außerdem werden sie immer weniger. Vor 20 Jahren konnten noch 67 Prozent der Hotels mit Lilien ausgezeichnet werden, heute sind es nur mehr 20 Prozent, in Deutschland sogar nur mehr 12 Prozent.

Wie hat sich die Branche in diesen zwei Jahrzehnten verändert?

Gewaltig. Die Preise etwa haben sich mehr als verdoppelt, sie sind der allgemeinen Teuerung regelrecht davongaloppiert. Dafür hat die Infrastruktur unglaublich zugelegt. Ein Pool ist heute fast dreimal größer als vor 20 Jahren. Es gibt heute Hotelwellnessbereiche, die fast so groß sind wie eine öffentliche Therme von ehedem. Weiters: Die durchschnittliche Betriebsgröße ist auf fast das Dreifache angewachsen. In der Küche wird viel mehr fabrikmäßig Vorgefertigtes eingesetzt. Und die Mitarbeiter kommen zumeist aus dem Ausland, zumindest in sehr vielen Regionen.

Haben Sie ein Problem mit Ausländern?

Ein Problem hat wohl jeder damit, wenn Mitarbeiter unzureichend geschult und zudem der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Jeder halbwegs lebensfrohe Mensch möchte mit anderen Menschen interagieren und generiert daraus auch Lebensfreude. Eigentlich will ich, wenn ich nach Tirol fahre, mit Tirolern zu tun haben. Mit Menschen, die ihre Region kennen und darüber etwas zu erzählen wissen. In der Realität hat man es dann leider häufig mit jemandem aus Sachsen-Anhalt oder aus dem Salzgitter zu tun. Der kennt dann nicht einmal den Namen des nächsten Berges. Oder belehrt mich in dieser missverständlichen sächsischen Mundart, dass es auch in Österreich „schöne“ Weine gäbe.

Ist das die Schuld der Hoteliers?

Nein, sicher nicht. Es werden bei uns ja immer weniger, die noch in der Hotellerie arbeiten wollen. Versuchen Sie einmal, nur einen Abwäscher zu finden! Die Leute gehen lieber zum Arbeitsamt, und das System erlaubt es ihnen auch. Dazu kommt der Kostendruck, die Bedienung der Kredite, die ins Groteske anwachsende Behördenbürokratie. Also ich beneide die Hoteliers, vor allem die kleinen, wirklich nicht.

Was sagen Sie zum heutigen Niveau der Branche?

Mein Gott, was haben wir früher in der Redaktion gelacht, über Hoteliers, die keine Ahnung vom Thema hatten, die „Wellneß“ (sic!) auf die Fassade geschrieben oder die Kellersauna mit der Aufschrift „Zum Spa-Resort“ beschildert haben. Das ist vorbei, die Branche hat sich professionalisiert, und man findet auch kaum noch Saunen, die von Architekten, die selbst noch nie in einer solchen waren, geplant wurden.

Aber wie sieht die Zukunft der Wellnessbranche aus?

Der große Boom ist vorbei, der Markt ist mehr als gesättigt, das bringt für nicht wenige Heulen und Zähneklappern. Wer es jedoch gut macht, der ist auf der sicheren Seite. Von den vielen Schließungen und Insolvenzen der letzten Jahre war kein Lilien-Hotel betroffen. Vorausgesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben halbwegs so, wie sie sind, dann wird Wellness weiterhin stark nachgefragt werden. Was Wunder, der Stresspegel in der Gesellschaft steigt ja immer weiter an, und damit das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung, nach Verwöhntwerden.

Wie hat sich Ihr Unternehmen entwickelt?

Wir haben sozusagen in einer Hinterhofwerkstatt angefangen. Heute haben wir ein großes Büro in einer guten Innenstadtlage und mehr als 20 großartige Mitarbeiter. Wir investieren viel in neueste Technologien, rennen aber längst nicht jedem Hype hinterher.

Hat ein Hotelführer noch Zukunft?

Wenn er kritisch ist und schreibt wie wir, nämlich ungeschönt und so wie es ist, sicher. Anspruchsvolle Leute haben genug von Fake-Bewertungen im Internet, suchen Authentizität und Qualität, Sicherheit im Angebotsdschungel. Und sie haben auch verstanden, dass Hotelwerbung mitunter dreiste und sogar fraudulente Dimensionen haben kann. Je lauter die Marketingabteilungen der Hotels brüllen, desto wichtiger werden wir.

Link-Text für Online-Redaktionen: Wellnesshotels

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Buchcover und weitere Pressemitteilungen: www.relax-guide.com/presse
Pressekontakt: Eva Moser-Werner, +43-1-403 2565-20, moser@relax-guide.com
Rezensionsexemplare (bitte Medium, Ressort und Telefon angeben): werner@relax-guide.com

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